Guten Tag, guten Abend
oder auch gute Nacht werte Besucher!
Ich möchte Ihnen hier einen kleinen Einblick in meine Arbeit und eine Technik zur Schmuckherstellung geben, die als Drahtweben oder Drahtwickeln (englisch: wire weaving oder wire wrapping) bekannt ist. Erste Zeugnisse dieser Handwerkskunst finden sich angeblich bereits bei den alten Ägyptern und Sumerern und auch den Wikingern scheint das Weben, besser gesagt: das Stricken mit Draht nicht unbekannt gewesen zu sein. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts dann wurde diese Technik des sogenannten Kalten Schmiedens wohl von einer Gruppe britischer Kunsthandwerker wiederentdeckt, weiterentwickelt und gelangte schließlich nach Kanada und in die USA.
Meine Faszination für die Schmuckherstellung
Vor einiger Zeit wollte ich ein defektes Schmuckstück reparieren und stieß bei meiner Suche nach geeigneten Methoden auf dieses faszinierende Kunsthandwerk, von dem ich bis dahin noch nichts gehört hatte. Ich war sofort begeistert von den wunderschönen Designs und der nötigen Sorgfalt und Geduld, die zu deren Umsetzung erforderlich sind – das wollte ich auch können! Die vielen verschiedenen Muster und mannigfaltigen Kombinationsmöglichkeiten der Kunst des Drahtwebens eröffneten mir ein breites Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation zur Umsetzung meiner Ideen. Die spannende Möglichkeit, das Erlernen uralter Techniken, die zum Teil schon in Vergessenheit geraten waren, für neuartige Designs zu nutzen beflügelte meine Phantasie. Da ich mich für Mineralien und Schmuck interessierte, konnte ich nun endlich genau das herstellen, was ich selbst gern tragen würde und wonach ich oftmals vergeblich gesucht hatte. So kommt es, dass ich seitdem stetig an der Weiterentwicklung meines technischen Know-hows, meiner Kunstfertigkeit und neuen Entwürfen arbeite.
Der Gedanke dahinter - Schönes muss nicht oberflächlich und vergänglich sein
In einer Zeit seriell gefertigter Massenproduktionen, in der ein Überangebot an billigem Platsik-Kitsch den Markt überflutet, verspüren viele Menschen ein Bedürfnis nach Einzigartigkeit und Wertigkeit, um einer achtlosen Konsumkultur des kurzen Vergnügens, die hauptsächlich darauf ausgelegt zu sein scheint, Müllberge zu produzieren, etwas Nachhaltiges entgegen setzen zu können. Persönlich gestaltete Handwerkskunst wird wieder geschätzt, denn hier stehen Qualität, der persönliche Kontakt und Kundenbetreuung im Vordergrund.
Mir bietet die Arbeit an meinen Schmuckstücken eine Möglichkeit, mich ganz auf etwas zu konzentrieren, das mir und hoffentlich auch anderen Freude bereitet. So entstehen einzigartige Formen und Gebilde aus Materialien, zu deren Entstehung immense Naturkräfte und sehr viel Zeit notwendig waren. Die Arbeit und das Tragen meines Schmucks können also durchaus zu einer kleinen Meditation und philosophischen Exkursen über das Leben, das Universum und den ganzen Rest anregen, um Douglas Adams zu bemühen.
Wert & Preis
Ein Schmuckstück hat bekanntlich für seinen Träger einen weitaus höheren Wert, als den bloßen Marktpreis des Materials, aus dem es besteht. Auch wenn die Bedeutung von Schmuck als Statussymbol und Ausdruck sozialer Zugehörigkeit unumstritten ist, Schmuck bedeutet doch oft viel mehr. Schmuck kann emtionale Verbundenheit ausdrücken, ein Erinnerungsstück an liebe Menschen oder wichtige Erlebnisse sein, manchen Amuletten werden gar magische Eigenschaften nachgesagt – die Liste ist lang. Daher bemisst sich der Wert eines Schmuckstückes auch am Schaffensprozess. Wer Kunst und Handarbeit erwirbt, nimmt dadurch Teil am Schaffensprozess. Sie kaufen nicht nur eine Kette oder einen Ring, sie erhalten ein Ergebnis jahrelangen Lernens, der Erfolge und auch des Scheiterns des Künstlers. Anders gesagt: Das Abbild eines Teils seines Lebens. Mit Geld ist das eigentlich nicht aufzuwiegen, es hat sich aber erstaunlicherweise dennoch als gänige Praxis etabliert. Um es mit Oscar Wilde zu sagen: „Heute kennt man von allem den Preis, aber von nichts den Wert.“ Nun, mir geht es oft genau anders herum, weswegen es mir in einigen Fällen tatsächlich schwer fällt, einen Preis für ein Stück festzusetzten.
Arbeit im "flow"
Das Entstehen eines neuen Schmuckstückes ist immer eine kleine Reise. Vom Entwurf und der sorgfältigen Auswahl der Materialien bis zum fertigen Stück braucht es viel Geduld, Ausdauer und jede Menge Fingerspitzengefühl (sowohl wörtlich, als auch metaphorisch). Jeder Stein und jedes Muster werden mit viel Liebe ausgewählt und mit größtmöglicher Achtsamkeit aufeinander abgestimmt, um ein einzigartiges Kleinod hervorzubringen. Oft geht die Kreativität dabei auch ihren eigenen Weg und das Ergebnis überrascht am Ende des Schaffensprozesses selbst mich. Es ist aber immer eine große Freude, nach tagelanger Arbeit ein fertiges kleines Kunstwerk in den (vom Draht beanspruchten) Händen halten zu dürfen.
Ich möchte diese Freude und einige Ergebnisse dieses Prozesses nun gerne mit Interessierten teilen und hoffe, den ein oder anderen dafür begeistern zu können. Wer weiß, vielleicht geht die nächste Etappe der Reise ja bald zu Ihnen.
Viel Spaß beim Stöbern und Staunen
wünscht Ihnen
Melike von DrahtseilArt